Lohnt es sich heute noch, Friseur*in zu werden? Lange galt das Friseurhandwerk als einer der schönsten Berufe. Schon im antiken Rom blondierten sich viele Frauen die Haare. Jedes Zeitalter findet seinen eigenen ästhetischen Ausdruck. Mode ist schon immer Zeitgeist. Und traditionell ist der Friseursalon ein Ort des Zusammentreffens, des Austauschs und des Wohlbefindens.
Dennoch hat das Image dieses Handwerks in den letzten Jahren stark gelitten. Verständlich, führt man sich den Zustand der Branche und die Entwicklungen der letzten 20 Jahre vor Augen. Es ist aber an der Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen und die Chancen neu zu betrachten.
Handwerk hat goldenen Boden bedeutet, dass die Nachfrage nach seinen Leistungen seit Jahrtausenden besteht und sehr wahrscheinlich noch lange bestehen bleibt. Während die Konkurrenz in Rente geht und sich der Rest der Wirtschauft auf die Industrie 4.0 einschwingt, bleibt der Wunsch nach Schönheit und einem persönlichen (Verwöhn-)Erlebnis im Salon.

Es lohnt sich also wieder, vom Mainstream auszuscheren und das Friseurhandwerk zu lernen. Denn die Nachfrage nach seinen Leistungen steigt, während das Angebot immer weiter sinkt. Und sehr wahrscheinlich wird daran keine Künstliche Intelligenz (KI) in naher Zukunft etwas ändern. Kreativität und Einfühlungsvermögen sowie das Geschick und Know-How der Friseurfachkräfte sind gefragt wie lange nicht mehr.
Schon immer bot das Handwerk den Menschen die Chance auf ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben. Das, so soll es dieser Beitrag zeigen, wird wohl auch in Zukunft noch lange so bleiben. Die schwerste Zeit um die Jahrtausendwende zumindest ist vorbei. Wer das Potential des Friseurberufs jetzt erkennt und nutzt, hat gute Aussichten auf beruflichen Erfolg und vielfältige Karrierechancen.
Blick zurück in die Geschichte
Handwerk in der Antike
Folgt man der offiziellen Geschichtsschreibung, war das Handwerk schon im antiken Griechenland nicht sehr hoch angesehen. Das antike Bürgertum strebte nach dem Ideal des freien Mannes, der seine Zeit frei von materiellen Sorgen und der Vormundschaft anderer ganz den Belangen der Polis und des Staates widmen konnte. Arbeit war für ihn keine standesgemäße Beschäftigung.
„Es muss einem freien Mann möglich sein“, so Marcus Tullius Cicero, „in Anstand und Würde von seinen Einkünften leben zu können, ohne dabei direkt auf Arbeit angewiesen zu sein“. Ähnlich urteilte der Geschichtsschreiber Herodot über den Stand der arbeitenden Bevölkerung. Nur „wer von körperlicher Arbeit frei ist, gilt als edel, am meisten aber die, die sich dem Krieg widmen.
Erst abseits von antiken Wertvorstellungen und der Mentalität einer reichen Elite, erkennt man die Bedeutung des Handwerks für die Entwicklung und den Wohlstand der antiken Gesellschaft. Während Sklaven für den Lebensstil und die Freiheit der Athener Bürger schufteten und sich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung ihre Existenz durch Landwirtschaft und häusliche Eigenproduktion sicherten, machten sich auch fleißige Handerker an ihre Arbeit.

Sie deckten mit ihren Erzeugnissen den Bedarf des täglichen Lebens in den antiken Metropolen. Mit der stetig wachsenden Stadtbevölkerung stieg auch die Nachfrage nach den Erzeugnissen des Handwerks. Auch in der Oberschicht bestand eine große Nachfrage nach alltäglichen Gebrauchs- und kostbaren Luxusgütern.
Durch zunehmende Spezialisierung konnten die Handwerker ihre Güter in größeren Mengen und in besserer Qualität herstellen. Mit dem wachsenden Handwerk vermehrten sich auch Handel und Verkehr in und zwischen den Städten. So verwundert es nicht, dass im städtischen Milieu „Besitz und Wohlstand zu großen Teilen auf handwerklicher Tätigkeit beruhten“.
Die Produktion in großen Werkstätten versorgte zunächst den lokalen Markt, darüber hinaus waren die Erzeugnisse des Handwerks neben den Rohstoffen wie Metallen oder den Nahrungsmitteln wie Getreide, Wein und Olivenöl auch Handelsgüter, die teilweise über weite Entfernungen zu den Absatzmärkten transportiert wurden.
Handwerk im Mittelalter
Wie in der Antike entwickelten sich die Städte im Mittelalter gemeinsam mit dem florierenden Handwerk. Als hörige von Großgrundbesitzern gehörten die Handwerker im frühen Mittelalter noch zum Stand der Unfreien. Mit der zunehmenden Urbanisierung gelang es aber immer mehr, sich von den drückenden Frondiensten und Abgabenlasten zu befreien.
Kaiser Heinrich IV. belohnte die Städte schließlich mit weitgehenden Freiheiten und Rechten für ihre Unterstützung in einem Konflikt mit Papst Gregor VII. und hob die Handwerker aus dem Stand der Hörigkeit. Die Stadtluft machte frei, das Handwerk blühte auf.

Ab dem 12 Jahrhundert gehörten die Handwerker schließlich zu einer „freien und durchaus auch angesehenen Gesellschaftsschicht“ und konnten sich einen „verhältnismäßig hohen Lebensstandard“ leisten. Zusammen mit den Kaufleuten bildeten sie den Großteil der Stadtbevölkerung. Sie schlossen sich in Zünften zusammen und regelten ihre Angelegenheiten selbstbewusst und autonom.
In den Städten hatten die Zünfte teils hohes Ansehen, weil „durch ihre Gelder die Stadt an Größe und Ansehen wuchs. Oft bauten sie die öffentlichen Gebäude, Kirchen und Rathäuser“. Vertreter der Zünfte saßen in den Stadträten und bekleideten weitere öffentliche Ämter.
Die Zünfte wachten streng über ihre Ehre. Man hielt sich fern von „Ausschreitungen gegen die Zunftgesetze, sowie von schlechten, mangelhaften Arbeiten und Betrügereien. Die Ausbildung der Lehrlinge war sehr sorgfältig, weil die öffentliche Prüfung vor der Innung für den Meister ein Ansporn war. Durch die strenge gegenseitige Überwachung haben die Zünfte viel dazu beigetragen, Tüchtigkeit, Ehrbarkeit und gute Sitte aufrecht zu erhalten“.
Entwicklung der Friseurbranche – die letzten 20 Jahre
Auch nach den spätmittelalterlichen (Monopolisierungs-)Exzessen der Zünfte und den fundamentalen Umwälzungen der Industrialisierung erlebte das Handwerk immer wieder neue Blütezeiten. So entstand vor dem Hintergrund der Kulturrevolution der 1960er Jahre eine wahre Renaissance der Friseurkunst. Eine Ikone dieser Zeit war Vidal Sassoon.
Als Leitfigur des neuen Zeitgeist stieg er vom Schampoo Boy auf zu einem international renommierten Modeschöpfer. In seinem Friseursalon in der Bond Street in London entwickelte er nach jahrelangem Versuch und Scheitern neue Schnittechniken und Frisurenmoden. Er machte aus seinem Beruf eine Kunst. Seine Kreationen und Produkte entwickelten sich zu einer weltweit gefragten Marke.
Die Modewelt und seine Kundinnen waren verrückt nach seinen modernen und individuellen Frisuren. Irgendwann kam dann die Dauerwelle. Und immer neue Modetrends. In der Branche lief alles gut über viele Jahre. Der Friseurberuf galt lange Zeit wieder als eines der schönsten Handwerke und einer der beliebtesten Ausbildungsberufe.
Erschreckender Wandel
Bis sich dann zur Jahrtausendwende „fast unbemerkt“ ein „erschreckender Wandel“ vollzog. Gegen Ende der 1990er Jahre stagnierten in Deutschland die Umsatzzahlen der Friseursalons. Das Konsumverhalten änderte sich. Immer mehr Kunden schienen unzufrieden mit den Leistungen und der Preistransparenz. Gleichzeitig wurde die Handwerksordnung liberalisiert. Die Politik wollte freie Märkte schaffen.

Das Ergebnis dieses Prozesses. Fast 20% Umsatzverlust in der Branche zwischen 1999 und 2009, ein Rückgang der angestellten Friseure um über 20% und viele neu gegründete Mikrobetriebe. Ein großer Teil der arbeitslos gewordenen Friseure wurden über Fördermaßnahmen und Finanzhilfen von der Agentur für Arbeit zur Selbständigkeit motiviert und in ICH-AG’s gelenkt.
Ursprünglich als Vehikel zur Existenzgründung gedacht, hat sich dieses Phänomen bis heute gehalten. Der Expansive Gründungsboom der 2000er Jahre ist zwar vorbei, aber die unzähligen Kleinstbetriebe sind geblieben. Sie machen mittlerweile gut 30% der Friseurbetriebe in Deutschland aus. Ihre Besonderheit: sie sind Umsatzsteuerbefreit und zahlen nur halb soviel Sozialbeiträge. Und somit konkurrenzlos günstig.
Friseure der kleinen Preise
Günstiger als die etablierten Friseursalons waren zu dieser Zeit auch die expandierenden Friseur-Discounter. Auch sie, ein Phänomen der Zeit und Ausdruck der Konsumlaune der Verbraucher. Sie zerpflückten die Friseurdienstleistungen (z.B. waschen/schneiden/föhnen) in einzelne Bestandteile und boten den Service flexibler und preisgünstiger an. Auch die Ausbildung und die Bezahlung der Mitarbeiter wurde an dieses Minimalkonzept angepasst.
Doch damit nicht genug. Nach dem Gründungsboom der Kleinstbetriebe und der Expansion von Friseurketten, sprossen jüngst Barbershops aus allen Winkeln der Städte. Was mit dem Wiederaufleben von klassischen Werten und der Sehnsucht nach einer Zeit begann, „in der Männer noch Männer waren“, wird das Konzept heute teilweise auch für Marketing oder zu anderen Zwecken genutzt.
So geraten etwa im „Kampf gegen die Clankriminalität“ neben Bars und Cafés zunehmend auch Barbershops ins Visier der Behörden. Im Jahr 2019 meldete die Polizei im Berliner Stadteil Neukölln 382 Einsätze, in denen 702 Objekte kontrolliert wurden. Das Ergebnis: knapp 1000 Strafanzeigen, rund 5900 Anzeigen zu Ordnungswidrigkeiten und einige Festnahmen.
Davon weit entfernt arbeitet der Großteil der Friseursalons und Barbershops auf legalem Boden. Doch genau das ist auch ihr Nachteil. Denn laut Branchenkennern herrschen im Friseur Handwerk mittlerweile „anarchistische Zustände“.
Schattenwirtschaft
Die letzten 20 Jahre Marktliberalisierung und der „ruinöse Wettbewerb“ haben Spuren in der Friseurbranche hinterlassen. Laut dem EVA Betriebsvergleich von Wella kommen aktuell 73 % der Friseurbetriebe nicht über einen Jahresumsatz von 125.000,- Euro hinaus. Bei einer maximalen Gewinnspanne von 20% sind das maximal € 25.000,- Unternehmerlohn im Jahr. Oder etwas mehr als € 2.000,- brutto im Monat.
Und das soll der Standard für die Mehrheit der Friseurbetriebe sein? Davon sollen der Lebensunterhalt, Privatversicherungen und die Altersvorsorge gedeckt werden? Abgesehen von einer unfreiwilligen Bescheidenheit kommt einem da nur noch die „kreative Buchführung“ in den Sinn. Offiziell wird geschätzt, dass rund 20% des Gesamtumsatzes in der Friseurbranche in Form von Schwarzarbeit mit bis zu 50% günstigeren Preisen erbracht werden.

Wenig Kontrolle, viele Ausnahmen
Die Schwarzarbeit flächendeckend einzudämmen, sei jedoch ein zu umfangreicher und kostenintensiver Aufwand, befand schon vor Jahren Bundesfinanzminister Schäuble. Und das, obwohl die Einsätze des vom Zentralverband der Friserue, der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Bundesfinanzministerium im Jahr 2013 gegründeten „Aktionsbündnis gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ erstaunliche Erkenntnisse zum Zustand bestimmter Branchensegmente liefern.
Von den über 1900 Friseursalons, die der Zoll im Jahr 2020 überprüfte, wurde in jedem zweiten Fall ein Strafverfahren eingeleitet und abgeschlossen. In 2018 überprüften die Behörden etwa 1.500 Betriebe mit mindestens 537 abgeschlossenen Strafverfahren wegen Abgabenhinterziehung und Leistungsmissbrauch und 375 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten.
Geprüft wird „im Rahmen der Möglichkeiten, vor allem aber bei Beschwerden.“ Oft ist auch unklar, welche Leistungen letztendlich angeboten werden und welche angeboten werden dürfen. Es gibt viele Ausnahmeregelungen. So wird zum Beispiel ein „auf Bartschnitte spezialisierter Betrieb, der mehr als die angemeldeten Dienstleistungen anbietet, nicht immer sofort entdeckt.“
In Stuttgart etwa wurden bei einer Schwerpunktkontrolle „zehn Barbershops kontrolliert, nur drei davon waren offiziell als Friseurgeschäft bei der Handwerkskammer und der Gewerbebehörde gemeldet. Die Übrigen hatten bei der Gewerbeanmeldung falsche Angaben gemacht und die Leistungen „schwarz“ angeboten“. Dabei ist es bisher nicht besonders riskant, einfach falsche Angaben bei den Behörden zu machen. Denn „Personalmangel verhindert mehr Kontrollen“.
Einzelfall um Einzelfall
Unterbesetzung bei den Verwaltungsbehörden und hoher Zeitdruck „lassen es nicht zu, jeden Einzelfall zu prüfen… Wenn eine Gewerbeanzeige schriftlich eingeht, müssen die Zuständigen diese gemäß §15 GewO innerhalb von drei Tagen bestätigen.“ Ob ein angestellter Betriebsleiter mit Meisterbrief auch vollzeit im Betrieb arbeitet oder diesen gleich nach der Anmeldung wieder verlässt, wird nicht überprüft. „Präventive Kontrollen führt die zuständige Gewerbebehörde nicht durch“, so die Stadtverwaltung Stuttgart.
Und das trotz der vielen Einzelfälle, die in das Visier der Beamten geraten. So berichteten die Medien von einer plötzlichen Eröffnungswelle von Barbershops in einem Essener Stadteil. Die Polizei „vermute Geldwäsche, denn in einigen Fällen seien in diesen Friseurgeschäften mehrere zehntausend Euro Umsatz abgerechnet worden, obwohl dort nur wenige Kunden gesehen wurden“.
In Bayern deckte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit den bisher größten Fall von Lohndumping mit einem Schaden von € 680.000,- auf. Der Inhaber mehrerer Friseursalons hatte über Jahre Sozialabgaben unterschlagen. Bei Kontrollen der Finanzpolizei und der Wirtschaftskammer Steiermark in zahlreichen Barbershops kam heraus: Bei 60 Prozent der geprüften Betriebe gab es Registrierkassen-Beanstandungen, illegal beschäftigte Arbeitskräfte, Sozialleistungsbetrug oder Verstöße gegen die Gewerbeordnung.

„Es gleicht moderner Sklaverei“, schrieb der Spiegel 2009, als das Hauptzollamt Köln 150 Friseursalons in Nordrhein-Westfalen überprüfte und entsetzt feststellte, dass vereinzelt Stundenlöhne von gerade mal 1,50 Euro bezahlt wurden. „Waschen, schneiden Hungerlohn“ titelte die Süddeutsche Zeitung und berichtete, dass Mitarbeiter in einigen Fällen illegal Sozialleistungen kassierten und gleichzeitig schwarz arbeiteten.
Auch so manche Filialunternehmen unterboten sich vor noch 10 Jahren gegenseitig bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter. Manche rühmten sich damit, „den jahrelangen Trend der Preiserhöhungen“ in der Friseurbranche „im Sinne der Verbraucher gestoppt“ zu haben. Zur selben Zeit berichtete der Stern von dem Unternehmen. In einem Artikel wurden Betrugsvorwürfe offengelegt wie etwa verbotene Zahlungen unter Tarif, Überstunden ohne Ausgleich oder unmenschlicher Leistungsdruck. Das Unternehmen leitete zu der Zeit 70 Filialen und rund 800 Mitarbeiter.
Neue Perspektiven in der Friseurbranche
So verwundert es nicht, dass in den letzten Jahren immer weniger junge Menschen das Friseurhandwerk lernen wollten. Der Ruf des Billiglöhners schallt noch aus den Berichterstattungen vor 10 Jahren nach. Eltern zeigen sich besorgt über die Zukunft ihrer Kinder. Fleißarbeit zum Mindestlohn. Dann doch lieber auf die Akademisierungswelle aufspringen. Dabei sind, wiedermal fast unbemerkt, die schlimmsten Zeiten für Friseurfachkräfte längst vorbei.
Goldener Boden
Schönheit und Körperpflege liegen seit Jahren voll im Trend. Genauso steigen seit Jahren auch wieder die Umsätze in der Friseurbranche. Gleichzeitig sind seit Jahren die Zahlen in Nachwuchsgewinnung und Ausbildung rückläufig. Allein im Jahr 2011 schrumpfte die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr um 10,6%. In den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der Auszubildenden ungefähr halbiert.
Zum schlechten Image der Branche kommt noch der demografische Wandel. Die Baby-Boomer gehen so langsam in Rente. Doch die geburtenstarke Generation der Nachkriegszeit findet nicht genügend Nachfolger für ihre Betriebe. Laut Branchenkennern sind schon in den nächsten fünf Jahren rund 40% der Unternehmen von einer Schließung bedroht. Es herrscht also akuter Personalmangel in der Friseurbranche bei gleichzeitig wachsender Nachfrage. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren vermutlich weiter fortsetzen.
Die Jahre des Billigfriseurs sind also gezählt. Das haben auch die Friseurketten erkannt: „das Filialwachstum steht still und er Boom ist definitiv vorbei“. Personalknappheit und stetig steigende Mindestlöhne zwingen die Discounter schon länger zum umdenken. Statt auf Wachstum setzen sie nun auf Markenentwicklung und Fixkostenoptimierung.
So änderte zum Beispiel Klier als einer der größten Discounter schon vor Jahren seinen Namen und strich den Slogan „Friseur der kleinen Preise“ aus seinem Markenzeichen. Die Klier Gruppe verabschiedete sich bewusst aus dem Niedrigpreissegment. Das Billigsegment hat seine Marktanteile ausgeschöpft und das jahrelange Wachstum kam zum erliegen. Das einzige, was seither weiter wächst, sind die Löhne und die Ansprüche der Mitarbeiter. „Wir können heute feststellen“, resümierte einer der Geschäftsführer von Klier in einem Interview, „dass das Experiment Discount als gescheitert angesehen werden kann“.
Es sind aber nicht nur die steigenden Preise und höheren Löhne, die die Friseurbranche wieder attraktiv für kreative Talente macht. Immer weniger wird der Wert bzw. Status eines Berufs ausschließlich am Gehalt bemessen. Respekt und Anerkennung, ein gutes Arbeitsklima, abwechslungsreiche und kreative Tätigkeiten, selbstständiges Arbeiten und lebenslanges Lernen, Unterstützung und Förderung beim Erreichen der eigenen beruflichen Ziele und die Identifikation mit seiner Arbeit und dem Unternehmen gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Auch die Verbraucher suchen mehr und mehr nach werteorientierten Unternehmen. Die destruktive Ausbeutung von Arbeitskräften und natürlichen Ressourcen wird abgelöst durch achtsamere und nachhaltige Konzepte. Qualität statt Quantität bestimmt die Nachfrage. Nicht das Viele, sondern das Besondere.
Gleichzeitig schreitet die Digitalisierung voran und integriert sich in immer mehr Wirtschafts- und Lebensbereiche. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen umstrukturieren und deren Verwaltung und Produktion automatisieren. Vor allem standardisierte, routinemäßige Prozesse und Aufgaben werden immer mehr von Maschinen und Algorithmen übernommen.
Von deser Entwicklung relativ unberührt sind kreative, ästhetische und handwerkliche Tätigkeiten. Wo Kreativität, Einfühlungsvermögen und menschliche Wertschätzung gefragt sind, versagt bislang die KI. Bereiche, in denen emotionale Intelligenz, handwerkliches Geschick und Know-How unersetzbar sind, werden gegenüber vielen anderen Tätigkeitsfeldern aufwerten.
Neue Werte
So werden sich auch „Perspektiven, Verdienst und gesellschaftliches Ansehen vieler Berufe in den kommenden 20 Jahren dramatisch verändern“, schreibt der Tagesspiegel, überzeugt vom „neuen Prestige der Friseurinnen und Elektriker“.
Diesen Trend hat das Handwerk längst erkannt. Selbstbewusst präsentierte es in einem Werbespott eine Welt ohne Handwerker. Fast nichts würde mehr funktionieren ohne die „Wirtschaftsmacht von Nebenan“. So steht das Handwerk heute wie früher für Entwicklung und Wohlstand. Dessen Erzeugnisse und Leistungen decken seit jeher die Grundbedürfnisse der Bevölkerung.
Qualität und Nachhaltigkeit haben im Handwerk eine lange Tradition. Nach den Jahren des Lohndumping und Massenkonsums kehren diese Werte zurück in das Bewusstsein der Menschen. Nicht Masse, sondern Klasse macht wieder das Rennen. Das zeigen nicht zuletzt Initiativen wie „Der Faire Salon“ oder die vom Zentralverband der Friseure ins Leben gerufene „Ethik-Charta für Friseure“.
Auch die großen Beautyunternehmen haben diese Wende erkannt und versuchen mit eigenen Kampagnen das Image der Branche aufzubessern. So hat L’Oréal gemeinsam mit dem Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks die Kampagne “My Beauty Career” ins Leben gerufen, um die vielen Facetten des Berufs darzustellen und den Friseurberuf wieder attraktiv zu machen. Auch Wella startete eine Ausbildungsinitiative unter dem Slogan „Du machst den Style”.
Wettbewerb um Mitarbeiter
Ob diese Kampagnen nun Erfolg haben oder wieder im Sand verlaufen. Die Chancen für talentierte und motivierte Friseurfachkräfte sind so gut wie lange nicht. Auszubildende werden in den Salons aktiver gefördert und gefordert. Wurde das Geld in der Vergangenheit zum Großteil in die Kundenwerbung investiert, fließt es heute immer mehr in die Förderung von Mitarbeitern. Handwerkliche Fähigkeiten, selbständiges und unternehmerisches Denken oder etwa Kenntnisse in den digitalen Medien stehen dabei im Fokus.
Und „wer das Beste bietet, kann auch das Beste verlangen“, sind sich Branchenkenner sicher. Allein der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter wird zu höheren Preisen und Löhnen führen. Wer aber seinen Beruf mit Motivation und Leidenschaft ausführt, kann noch viel mehr erreichen. Die Karrieremöglichkeiten für Friseurinnen und Friseure sind vielfältig. Sie sind „Typ- und Trendberater, Kreative, Handwerker und Unternehmer in einer Person“.
Karrierechancen
Nach einer hochwertigen Ausbildung stehen jungen Talenten viele Wege offen. Zum Beispiel den Meisterbrief zu erwerben und einen Salon zu eröffnen oder zu leiten. Styling-Profis und Maskenbildner sind gefragt im Fernsehen, in der Filmbranche oder im Theater. Viele Beautyunternehmen suchen Kreativdirektoren und Fachtrainer.
Friseure können ihre Fähigkeiten auf Wettbewerben, Meisterschaften oder auf Showbühnen im In- und Ausland zur Schau stellen. Oder sie spezialisieren sich auf Kernkompetenzen wie Coloration, Make-Up, Haarschnitt oder Hochsteckfrisuren, um so gegenüber der Konkurrenz im Vorteil zu sein.
Friseur- und Beautyblogger können ihre Arbeit und ihr Know-How einem breiten Publikum präsentieren. Sie bewerben ihr Unternehmen und ihre eigenen Produkte oder die von Partnerunternehmen. Es gab nie bessere Möglichkeiten neue Kontakte herzustzellen und auf seine Produkte und Dienstleistungen aufmerksam zu machen.
Friseurbesuch als Event
Dabei ist die Arbeit am Kunden in hochwertigen Salons längst keine Fließbandarbeit mehr. Die Konsumenten werden anspruchsvoller und viele „Kundinnen und Kunden wollen nicht nur einfach einen neuen Haarschnitt, sondern ein Erlebnis“. Der Friseur-Besuch wird immer mehr zu einem Event. Er bietet eine Auszeit vom Alltag und ist zugleich sozialer Austausch und Treffpunkt.
Oder wie es eine junge Auszubildende in einem Interview zusammen fasst, kann ein Arbeitstag auch so aussehen, dass man „von morgens bis abends mit guten Freunden zusammen ist, redet und quatscht und dabei Haare macht“. Kreatives Arbeiten am und mit Menschen macht ihr Spaß, sagt sie. Und was sie für ihre Kundinnen und Kunden tut, „kommt alles positiv zurück“.
Sogar die Männerwelt ist bei diesem Trend mit aufgesprungen. Dem Friseurhandwerk ist „gelungen, wovon die übrige Beautybranche seit vielen Jahren nur fantasiert“. So kommen die Kunden in den hochwertigen Barbershops „in der Regel nicht für eine schnelle Rasur. Sie lassen sich mit einem Pale Ale in der Hand für eine halbe Stunde oder länger in den Sitz fallen. Während der Figaro ihnen die Kopfhaut massiert, sorgsam die Haare stutzt, erfrischendes Haarwasser aufträgt, ein warmes, feuchtes Handtuch reicht, plaudern sie über Oldtimer und Rock ’n’ Roll, den Job und manchmal auch über Frauen“.

Herren von heute
Auch nach dieser „Retrowelle der Männlichkeit“ legen die „Herren von heute viel mehr Selbstoptimierungswünsche an den Tag als frühere Generationen“. Und „auch wenn die Hipster-Welle und der Vollbart-Hype wieder abebbt, bleibt der männliche Wille zum Gutaussehen ein Langzeit-Trend“, sagt Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks.
So ist auch zu erklären, warum die bislang eher geringe Zahl männlicher Berufseinsteiger in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Haare schneiden gilt wieder als cool. Allein von 2017 auf 2018 stieg der Anteil der männlichen Auszubildenden im Friseurhandwerk um 14 Prozent. Insgesamt zählt die Friseurbranche weiterhin zu den ausbildungsstärksten Berufen in Deutschland.
Handwerk lohnt sich
Es lohnt sich, ein Handwerk zu lernen, ist sich auch der Schrauben Milliardär Reinhold Würth sicher. Kluge Handwerker, sagt er, „könnten mehr verdienen als Mediziner“. Dafür muss man sicher nicht gleich 34.000,- Euro für einen Haarschnitt verlangen, wie etwa Stuart Phillips, der „Coiffeur der Reichen und Schönen“. Schon im Jahr 2007 kam er ins Guiness-Buch der Rekorde mit einem 8.000,- Pfund teurem Haarschnitt.
Nicht schlecht verdiente etwa auch der Friseur des Französischen Staatspräsidenten Francois Hollande im Jahr 2012 mit einem monatlichen Brutto-Gehalt von knapp 10.000,- Euro. Oder Außenministerin Baerbocks Visagistin, die im Jahr 2022 mit einer Gage von € 137.000,- überdurchschnittlich gut verdiente. Doch Geld alleine macht bekanntlich nicht glücklich und eine erfüllende Arbeit hat viel mehr Facetten.
Neue Ausbildungskonzepte
Um das Interesse der heranwachsenden Generationen zu wecken und deren Potential zu fördern, etablieren sich immer neue Ausbildungskonzepte und Friseurschulen. So startete im Jahr 2018 sogar ein neuer Bachelor-Studiengang „Beauty Management“ als „Katapult für die Karriere in der Schönheitsindustrie“.
Näher am Kerngeschäft der Friseurdienstleister orientieren sich die Ausbildungskonzepte der „Akademie der Friseure“ von Meininghaus oder etwa der „Keller School“. Besonders hervorzuheben ist auch die Ausbildung zum „Hair and Beauty Artist“. Mit dem ganzheitlichen Ausbildungsprogramm, das die Schönheit und Gesundheit von Haut und Haar umfasst genauso wie den achtsamen Umgang mit Mensch und Natur, setzt La Biosthétique neue Maßstäbe.

Hair and Beauty Artist
Ein klares Ziel der „Hair and Beauty“ Ausbildung ist, dass „jeder Auszubildende schnell am Kunden arbeiten kann und damit schnellstmöglich das theoretische gelernte praktisch umsetzen kann. „In der Elite School werden wir gezielt für die Arbeit im Salon vorbereitet“, berichtet eine Auszubildende von Gress Friseure in einem Interview:
wir lernen Entspannungshaarwäsche, Hand-, Nacken- und Kopfmassagen. Auch die Basics des Auftragens der Haarfarbe werden vermittelt, Augenservices wie Wimpern färben, Augenbrauen färben und zupfen gehören dazu. Die Grundzüge der Föntechnik mit Rund- und Flachbürsten gehören ebenso zur Vorbereitung wie die Einführung in die Maniküre.
Durch die gründliche Einschulung in die Basics der Beauty-Dienstleistungen zu Beginn der Ausbildung, sind die Auszubildenden schnell in der Lage, produktiv und konstruktiv im Salon mitzuarbeiten und erste Erfahrungen im Umgang mit Kunden zu sammeln. Im Laufe der Ausbildung werden alle Bereiche der klassischen Lehre abgedeckt und geschult.
Doch die „Culture of Total Beauty“ von La Biosthétique umfasst mehr als das Erlernen von Fachkompetenz und das Verwenden qualitativ hochwertiger Produkte. Sie lehrt auch eine Philosophie: „Schönheit ist nicht die äußere Form. Sie ist alles: Was man tut und wie man es tut. Schönheit liegt in dem Material, das man verwendet, genauso wie in der Art, wie man die behandelt, die es benutzen“.
Die Zukunft der Arbeit
In einer Zeit eines so fundamentalen Wandels wie seit Anfang der 2020er Jahre ist es schwer vorherzusagen, wie genau die Zukunft der Arbeit aussehen wird. Sicher ist, der nachhaltige Umbau der Wirtschafts- und Arbeitswelt sowie der beschleunigende Wertewandel in der Gesellschaft mischen die Karten in der Berufswelt neu.

Mensch-Maschine
Wenn „manuelle Tätigkeiten und menschliche Entscheidungsfindung nach und nach von Maschinen übernommen werden, reduzieren sich die Tätigkeitsfelder vor allem auf wissenschaftliche Berufe (vor allem im den MINT-Bereichen; Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), sowie den Dienstleistungssektor“.
In einer Studie der Oxford Universität wurde versucht, das Ausmaß der Computerisierung auf den Arbeitsmarkt in den USA zu ermitteln. Deren Berechnungen und Prognosen zufolge sind gut 47 Prozent der Arbeitsplätze gefährdet, durch eine KI ersetzt zu werden. Auch einer der weltweit größten Unternehmens- und Strategieberater (McKinsey & Company) legt in einer Studie nahe, dass „48 Prozent aller Berufe durch künstliche Intelligenz automatisiert werden können“.
Der „Vision einer menschenleeren Fabrik“ stellen sich aber auch Unternehmen entgegen. Der Mensch wird nicht ersetzt, sondern seine Aufgaben ändern sich. Er müsse sich „vom Arbeiter zum Problemlöser, Entscheider und Innovator“ entwickeln. Ziel ist es, die neue Arbeitswelt im Sinne einer Mensch-Maschine-Interaktion neu zu gestalten.
Dafür bedürfe es auch einer „neuen Humanisierungspolitik“, denn: „Entweder die Menschen sagen den Maschinen, was sie tun sollen. Oder: Die Menschen bekommen von den Maschinen gesagt, was sie tun sollen. Der Schlüssel ist, dass wir die Menschen durch Qualifizierung gut darauf vorbereiten.“

Immer neue Herausforderungen
Durch die rasante Entwicklungen der Technologie „ist auch die Expertise von gut ausgebildeten Fachkräften schnell veraltet“. Technische Fähigkeiten gelten bereits nach wenigen Jahren als veraltet. Die Qualifikation der Arbeitnehmer spielt also eine zunehmende Rolle. Geringqualifizierte ohne Ausbildung oder mit überholten Kenntnissen sind die Verlierer dieses Prozesses.
Sicher ist, „die Industrie 4.0 verändert die Arbeitsplatzgestaltung nachhaltig“. Wie bereits angedeutet, sind „die Anforderungen insbesondere im Bereich der sozialen Fähigkeiten und Kreativität gestiegen“. Es reicht auch „nicht mehr aus, sich auf den Qualifikationen auszuruhen, die bei der Einstellung in den Job vorhanden waren. Arbeitnehmer müssen bereit sein, mit der Zeit zu gehen, neue Entwicklungen zu erkennen und sich und das eigene Profil daran auszurichten, um den veränderten Anforderungen weiterhin gerecht zu werden.“
Die Zukunft der Arbeit wird also vor allem geprägt sein durch die Digitalisierung und Flexibilisierung sowie durch lebenslanges Lernen. Mitarbeiter übernehmen zunehmend mehr Selbstverantwortung als eigenständige Problemlöser. Hierarchien werden ersetzt durch Teamarbeit, Aufgabenzuweisung und logische Abläufe.
Top Skills der Zukunft
Unabhängig vom Zeitgeist wurden und werden in der Arbeitswelt Fähigkeiten wie Flexibilität, Belastbarkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zielstrebigkeit und Teamfähigkeit gefordert. Durch die Herausforderungen des schnellen und tiefgreifenden Wandels gehören zu den Top-Skills der Zukunft wohl auch Eigenschaften wie Kreativität, Emotionale Intelligenz (Achtsamkeit und Verständnis) sowie zwischenmenschliches und digitales Kommunikationstalent.
All dies trifft nun zu für die neue digitale Arbeitswelt, genauso wie für den sich stets weiter entwickelnden Friseurberuf. Friseure waren tendentiell schon immer offen für neue Trends und Entwicklungen. Auch die Digitalisierung hält Einzug in diesem Handwerk durch digitale Kassen-, Buchungs- oder Warenwirtschaftssysteme, präzise messbare Statistiken, Online Marketing und Social Media Kanäle.
Schon immer ist die Friseurbranche bekannt für Individualität und eine harmonische kulturelle Diversität. Stylisten handeln eingenverantwortlich und souverän in ihrer Arbeit. Meistens sind sie Kommunikationstalente und gerne unter Menschen. Für Beratungen und dem definieren gemeinsamer Ziele (z.B. Haarfarbe oder Haarschnitt) benötigen sie Erfahrung, analytisches Denken und ein gutes Urteilsvermögen.

Ständige Weiterbildung ist Standard bei gehobenen Friseurdienstleistern. Emotionale Intelligenz und Empathie gehören zu den Grundzügen professioneller Stylisten. Und wie es vor allem in turbulenten Zeiten deutlich zum Vorschein kommt, sind die Dienstleistungen und Services der Friseurgeschäfte nicht nur „überaus wichtig für das soziale Miteinander“, sondern geradezu „systemrelevant“.
Trotz allen Veränderungen, der Mensch und seine Bedürfnisse stehem im Mittelpunkt des Friseurberufs. Körperpflege, Schönheit und Wellness sind Langzeittrends. Professionelle Friseure müssen sich um ihre Zukunft somit wohl keine Sorgen machen. Im Gegenteil. Sie sind unersetzbare und gefragte Talente.
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